Vom einfachen Zeugnis über mehr oder weniger detaillierte Berichte bis hin zu umfassenden Gutachten gibt es eine Vielzahl von Dokumenten, mit denen der Gesundheitszustand einer Person dokumentiert werden kann. Ihre Bezeichnung variiert je nach Zweck und Detaillierungsgrad der verlangten Beurteilung. Rechtlich besteht kein Unterschied zwischen einem Zeugnis und einem Bericht. Es handelt sich in beiden Fällen um schriftliche medizinische Urkunden, die sich auf den Gesundheitszustand einer Person beziehen.
Als ärztliches Zeugnis gilt «ein Dokument über den Gesundheitszustand einer Person, das aufgrund von ärztlichen Feststellungen und medizinischem Wissen von einer Ärztin oder einem Arzt oder einer anderen gesetzlich ermächtigten medizinischen Fachperson ausgestellt worden ist, und das dazu bestimmt ist, eine rechtserhebliche medizinische Tatsache zu beweisen».
Die Standesordnung der FMH verlangt, dass Ärztinnen und Ärzte bei der Ausstellung dieser Dokumente alle Sorgfalt anwenden und «nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung ausdrücken» (Art. 34 Standesordnung FMH). Die vorsätzliche Ausstellung eines falschen Zeugnisses oder Berichts ist strafbar(Art. 318 Strafgesetzbuch (StGB)). Ein Zeugnis gilt als falsch, wenn es den Gesundheitszustand der Person nicht richtig wiedergibt, was auch dann der Fall ist, wenn wesentliche Umstände verschwiegen werden. Gleiches gilt für Gefälligkeitszeugnisse.
Zeugnisse und Berichte müssen eindeutig sein: Auf dem Dokument müssen der Zweck, das Erstellungsdatum sowie der Name der Patientin oder des Patienten, der Ärztin oder des Arztes und der Empfängerin oder des Empfängers ersichtlich sein. Es muss zudem transparent formuliert und wahr sein sowie folgende Fragen einfach und verständlich beantworten:
Was hat die Ärztin oder der Arzt selbst festgestellt?
Wo musste sie oder er sich auf Angaben der Patientin, des Patienten oder von Dritten stützen?
Was ist ihre oder seine ärztliche Beurteilung?
Grundsätzlich werden ärztliche Zeugnisse und Berichte von der behandelnden Ärztin bzw. vom behandelnden Arzt ausgestellt. Das Gesetz betrachtet auch Bescheinigungen, die von bestimmten medizinischen Fachpersonen wie Zahnärztinnen oder Zahnärztinnen oder Hebammen ausgestellt werden, als «ärztliche Zeugnisse» (Art. 318 Strafgesetzbuch (StGB)). Auch andere medizinische Fachpersonen (z.B. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Pflegefachpersonen, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten oder Neuropsychologinnen oder Neuropsychologen) können für ihre Fachbereiche Bescheinigungen ausstellen. Auch wenn ihre Bescheinigungen keine «ärztlichen Zeugnisse» im Sinne des Strafgesetzbuchs sind, müssen auch diese wahrheitsgetreu sein, da die ausstellenden Personen sonst strafrechtlich belangt werden können.
Empfehlung an den Arbeitgeber:
Zeugnisse prüfen: Das Arztzeugnis ist eine Urkunde im strafrechtlichen Sinn, aber nicht unantastbar. Bei Unklarheiten (z. B. sehr lange Dauer, rückwirkende Datierung, auffällige Häufung) darf und soll die Plausibilität hinterfragt werden.
Konkretisierung verlangen: Der Arbeitgeber darf vom ausstellenden Arzt jederzeit eine genauere Umschreibung verlangen (z. B. Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit, Einschränkungen für bestimmte Tätigkeiten). Medizinische Diagnosen dürfen nicht verlangt werden.
Zweitmeinung einholen: Bei begründetem Zweifel kann vom Arbeitgeber eine vertrauensärztliche Untersuchung angeordnet werden (gestützt auf Treu und Glauben gemäss Art. 2 ZGB i.V.m. Art321a / Art. 328 OR).
Gefälligkeitszeugnisse nicht akzeptieren: Hat der Arbeitgeber Indizien, dass ein Zeugnis nicht korrekt ist, darf er es zurückweisen und weitere Abklärungen treffen. Das Arztzeugnis stellt lediglich einen Anscheinsbeweis dar, der widerlegt werden kann.
Rechtliche Grundlagen:
Art. 34 Zeugnisse, Berichte und Gutachten (Standesordnung FMH)
Ärztliche Zeugnisse, Berichte und Gutachten sind Urkunden.
Bei deren Ausstellung haben Arzt und Ärztin alle Sorgfalt anzuwenden und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszudrücken.
Der Zweck der Schriftstücke, das Ausstellungsdatum und ihre Empfänger sind anzugeben.
Die Ausstellung von Gefälligkeitszeugnissen ist unzulässig.
Art. 318 StGB
1. Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Hebammen, die vorsätzlich ein unwahres Zeugnis ausstellen, das zum Gebrauche bei einer Behörde oder zur Erlangung eines unberechtigten Vorteils bestimmt, oder das geeignet ist, wichtige und berechtigte Interessen Dritter zu verletzen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Hat der Täter dafür eine Belohnung gefordert, angenommen oder sich versprechen lassen, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
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